Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wie sich die getätigten Arbeiten während einer standortsgerechten Rekultivierung auf die Wiederherstellung von Böden und deren Funktionen tatsächlich auswirken. Zwei Diplomarbeiten dokumentieren die Ergebnisse und liefern wissenswerte Erkenntnisse.
40 Jahre lang unterhielt die Firma Knauf GmbH, Werk Weißenbach bei Liezen, den Gipsbergbau Hintersteineralm am Pyhrnpass. In der Zeit von 1970 bis 2010 wurden in dem Tagebau rund 3,4 Millionen Tonnen Wertmineralien gefördert, 4,3 Millionen Tonnen fielen als Abraummaterial an. Noch vor der endgültigen Einstellung der Förderung begann man im Jahr 2002 mit den ersten Rekultivierungsarbeiten. Zwei wissenschaftliche Arbeiten evaluierten die getätigten Arbeiten, die Ergebnisse daraus lassen aufhorchen.
Große Pläne mit „Grubenfeld Claudia“
2002 wurde das sogenannte „Grubenfeld Claudia“, das eine Größe von rund 23 Hektar aufwies, stillgelegt und stellte dieser Zeitpunkt den Beginn umfassender Rekultivierungs- bzw. Renaturierungsarbeiten dieses Grubenfelds dar. Gemäß des damals geltenden Mineralrohstoffgesetzes (MinroG) war der Bergbaubetreiber gesetzlich dazu verpflichtet, die „Sicherung der Oberflächennutzung nach Beendigung der Bergbautätigkeit“ durchzuführen. Diesen Sicherungsarbeiten lag ein Bescheid der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zugrunde, der gleichzeitig das umzusetzende Rekultivierungs- bzw. Renaturierungskonzept legitimierte. Die Zielvorgabe sah drei wesentlich zu schaffende Bereiche vor. Bedingt durch existierende Weiderechte seitens einer Agrargemeinschaft sollten im Zuge der Rekultivierung Reinweideflächen für Vieh entstehen.
Drei primäre Zielvorgaben laut MinroG
Ebenso sollte rund ein Drittel der Gesamtfläche wiederbewaldet werden, um so Wald etablieren lassen zu können. Neben der Anlage und Schaffung von land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen sollten auf einem Teil des ehemaligen Grubenfelds auch Sukzessionsflächen entstehen, die sich in deren Entwicklung selbst überlassen wurden (hier kam es im Zuge der Rekultivierungsarbeiten zu keiner wie auch immer gearteten Behandlung der Flächen). Nach Rückverfüllung und Oberflächengestaltung des ehemaligen Bergbauareals mit autochthonem, teilweise gips- und kalkhaltigen Abraummaterial erfolgte die Fertigstellung der Geländeoberfläche. Dabei wurde auf die vorbereiteten Flächen aus Rodungen stammender, abgeschobener und zwischengelagerter Waldboden, mit einer mittleren Auftragsmächtigkeit von 20-25 cm, flächig mittels Schubraupen aufgebracht.
So entwickelten sich Boden und Vegetation
Dieses fertige Planum stellte die Basis für die im Jahr 2003 beginnenden Rekultivierungsarbeiten dar, die in erster Linie Begrünungsmaßnahmen vorsahen. Im Rahmen einer Diplomarbeit wurden 2005 die bis dahin getätigten Rekultivierungsarbeiten dokumentiert. Dabei wurde der Fokus vor allem auf die Entwicklung von Boden und Vegetation gelegt.
14 Jahre später wurden die Erstergebnisse evaluiert. Diese neuen Ergebnisse lassen aufhorchen und zeigen ein enormes Potential hinsichtlich der natürlichen Regenerationsfähigkeit von Boden – im Zusammenspiel mit Vegetation – auf. 2005 lagen auf allen untersuchten Flächen Böden des Bodentyps „Planieboden“ vor. Dabei handelte es sich um Böden, die mit einem Horizont (= Bodenschicht) auf einem fertiggestellten Planum auflagen. 2019, lediglich 14 Jahre später, zeigte sich bereits ein anderes Bild.
Vom Planieboden zur Rendzina
Aus „einfachen“ Planieböden entwickelten sich höherentwickelte Bodentypen heraus, die in deren Aufbau differenzierte Merkmale aufwiesen. Als höchstentwickelter Bodentyp ging der Typ „Rendzina“ hervor. Dieser Bodentyp kam im Untersuchungsgebiet natürlich vor und entwickelte bzw. entwickelt sich noch immer zu seinem Ursprungstyp hin. Pflanzenwurzeln, Verlagerungsprozesse und Anreicherungsprozesse (v.a. durch mikrobielle Tätigkeit) waren dafür ursächlich verantwortlich. Neben natürlich ablaufenden Prozessen machte sich auch das vorausschauende Materialmanagement bezahlt.
Autochthon vorkommendes Bodenmaterial wurde im Zuge von Rodungsarbeiten abgeschoben und am Rand des Abbaugebiets dauerhaft in Mieten gelagert. Dort wartete dieses Material, über mehrere Jahre hinweg konserviert, auf seinen Wiedereinbau und sein zweites „Leben“. Bemerkenswert war auch die Entwicklung der Vegetation. Hierbei wurden zwei Parameter genauer untersucht, nämlich der sogenannte Deckungsgrad und die Artenanzahl.
Rasantes Zusammenspiel von Boden und Vegetation
Im Jahr 2003 wurden die fertiggestellten Rohflächen im Hydrosaatverfahren eingesät. Dabei kam eine kräuterlose Mischung mit 17 verschiedenen Pflanzenarten zur Anwendung. 2005 konnten auf allen begrünten Standorten 51 und 2019 bereits 68 verschiedene Pflanzenarten (Gräser, Kräuter, Leguminosen und Holzige) nachgewiesen werden. Als positiv konnte auch die Entwicklung der Deckungsgrade beurteilt werden. 2005 waren die Deckungsgrade auf 75% der untersuchten Flächen höher als 50%. Bis 2019 verfügten bereits alle untersuchten Flächen Deckungsgrade von 75%. Anhand beider Untersuchungen konnte erstmals gezeigt werden, wie wichtig das Zusammenspiel von Boden und Vegetation ist. Überraschend war die Geschwindigkeit der Bodenentwicklung hin zu dem ursprünglich vorkommenden Bodentyp.
Vorsorgliches Bodenmanagement unumgänglich
Das abgeschobene, gelagerte und durchmischte Bodenmaterial vermochte sich – eben im Zusammenspiel mit der aufgebrachten und eingewanderten Vegetation – zu regenerieren. So kann Rekultivierung funktionieren. Boden ist die Grundlage unseres Lebens und umso wichtiger ist der sorgsame Umgang mit diesem. Vor allem bei großflächigen Eingriffen in ein bestehendes Landschaftsgefüge ist ein vorsorgliches Bodenmanagement unumgänglich. Abtrag, Lagerung und Wiedereinbau des Bodenmaterials sollten hier beschrieben und festgelegt werden, um der zukünftigen „Landschaft aus zweiter Hand“ einen optimalen Start zu ermöglichen.
Über den Autor
Christian Bauer, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Bodenschutz