Bakterien sollen Risse im Beton kitten und Bauwerke resistenter machen. Diese Forschungsvision gibt es schon seit mehr als 15 Jahren. Für die Marktreife dieser Biozementierung war die erforderliche Produktion von Bakterien bislang zu teuer. Das könnte sich jetzt ändern.
Wissenschaftler forschen seit Jahren intensiv an nachhaltigen Methoden, wie sich kleinere Risse in Beton durch Mikroorganismen automatisch wieder schließen lassen und sie Bauwerken damit eine längere Lebensdauer verschaffen. Die innovative Methode ist inzwischen erprobt und biobasierte Baustoffe befinden sich bereits im Einsatz.
Wie funktioniert „selbstheilender Beton”?
Das Phänomen dahinter wird als Biozementierung oder im Fachjargon als „mikrobiell induzierte Calcit-Präzipitation“ (MICP) bezeichnet. Besonders geeignet dafür ist das Bakterium Sporosarcina pasteurii. Durch seinen Stoffwechsel kann es Calciumcarbonat, also Kalk, auf Oberflächen ablagern. Mischt man die stabilen Mikroorganismen direkt in den Beton, können sie Risse wieder schließen, sofern sie Nährstoffe und ein nasses Umfeld vorfinden. Sie reagieren also auf ihre Umgebung und produzieren Kalk. Und Kalk kann brüchigen Beton versiegeln.
„Um es ganz einfach zu erklären, ist ein Vergleich mit der Küche sehr anschaulich. Jeder kennt Trockenhefe. Sobald die Hefe mit Wasser in Berührung kommt, werden die Mikroorganismen zum ‚Leben erweckt‘. So ähnlich funktioniert es auch mit dem selbstheilenden Beton“, erklärt Dr. Frédéric Lapierre.
Doch um Biozementierung kommerziell einsetzen zu können, muss man große Mengen der Bakterien produzieren und das war bisher sehr aufwendig und damit zu teuer. Im Rahmen seiner Doktorarbeit suchte Frédéric Lapierre nach Lösungen und entwickelte ein effektives Kultivierungsverfahren.
Effizient kultiviert, wirtschaftlich rentabler
In der Forschungsarbeit fand er unter anderem heraus, unter welchen Bedingungen sich die Bakterien besonders gut vermehren. Dafür setzte er eine Hochdurchsatz-Kultivierungsplattform mit Online-Monitoring ein, mit der er vollautomatisiert und parallel 48 Bakterienkulturen in unterschiedlichen Nährmedien analysieren konnte. Die Methode erwies sich als hocheffizient und ermöglichte es rasch, die „erfolgreichsten“ Kulturen zu bestimmen. Damit entwickelte Lapierre unter anderem ein einfach umsetzbares Verfahren, das die Produktion der Mikroorganismen um das Fünffache steigern kann. Durch dieses effizientere Kultivierungsverfahren könnte der Einsatz von selbstheilendem Beton künftig wirtschaftlicher werden. Lapierre erläutert: „Durch die gesunkenen Herstellungskosten wollen wir einen wichtigen Beitrag zur Industrialisierung der Biozementierung schaffen, um nachhaltige Anwendungen in der Bauindustrie und der Umwelttechnik zu etablieren.“
Welche Anwendungsgebiete gibt es?
Schon heute kommen die Mikroorganismen zum Einsatz. Zum Beispiel um die Staubentwicklung im Tagebau zu kontrollieren. Die Bakterienlösung wird genutzt, um den Staub, der in der Luft ist, zu verfestigen. Zudem gilt Biozementierung als vielversprechendes Unkrautvermeidungsmittel. Als Alternative zu unbeliebten Herbiziden ist das Produkt bereits in Baumarktregalen zu finden. Der Forschungsschwerpunkt an der Hochschule München bleibt jedoch die Optimierung von herkömmlichen Baumaterialen sowie Bauteilen aus Recyclingbeton. Die Tests für die erfolgreiche Kultivierung von Sporosarcina pasteurii gehen weiter, mit Hilfe von KI sollen künftig noch bessere Ergebnisse erzielt werden.